Gilbert Bretterbauer knüpft mit einem Text an die Ausstellung "Dinge, die" an
come closer slowly
dachte immer, wenn der rücken schmerzt, müsse genau in diese stelle des wehtuns hinein eine dehnende bewegung gemacht werden, damit sich dort die verspannung löst. (the pain is your teacher! höre ich den yogalehrer immer wieder sagen, aber nicht zu mir, der schon seit 50 atmenzügen im kopfstand stehend, mit tränen in den augen, mich langsam mit dem umgekehrten raum abfinde, sondern zu jemandem, der sich in eine stellung hineinbemüht, aus der heraus, wie ich später von ihm erfahren musste, er sich den miniskus ruiniert hat). also stelle ich mich (was ohnedies niemand bemerkt), in unangemessen weiter entfernung zur bar, die ein küchenregal, das voll von unterschiedlichen zustandsbildern von orangen ist und beuge mich zur übernahme der kleinen bierflasche, damit sich diese, seit gestern anhaltende rückenmuskulatur streckt. das ist sehr unangenehm, der erste schluck des kalten getränks wird als trostschluck vergeudet, erst der zweite wirkt wirklich, und da in doppeltem sinn: das ziehen lässt etwas nach, der alkohol mildert mein hartes urteil, der körper müsse funktionieren. übrigens passt diese episode, die so nicht einmal stattgefunden hat (ich nehme nämlich heißen schwarzen tee und vorerst aufgrund der kälte nicht das bier), zu der unwirklichen empfindung, geldscheine würden mich an der stirn kitzeln. später stellt sich heraus, dass dieser eindruck nicht auf die wirkung des alkohols auf nüchternen magen zurückzuführen ist, sondern eine reale erfahrung künstlerischer arbeiten an einer wäscheleine in der soutterain-galerie pinacotek ist. schon jetzt wirkt einiges verwirrend, begonnen mit meiner absicht, den neuen, eigens an meinen kleinen finger angepassten, massiven, in rajasthan hergestellten silberring, beim öffnen der türe nicht an die türklinke zu pressen, um keine einkerbungen zu hinterlassen, wo doch die türe beim eintreten bereits offen stand. die alten holzbretter im boden, sind durch meine schritte richtung ofen, wo sich über dem frischen feuer mein händepaar plötzlich mit drei anderen fremden handpaaren kreuzen wird, derart in schwingung geraten, dass ein tisch zu wackeln begann und die, ursprünglich aufgestellte arbeit, ein zusammengefaltetes blatt papier, auf dem, wie auf einen blick zu erkennen ist, mit füllfeder das wort füllfeder geschrieben steht, umfallen ließ. das blaue rad habe ich mit den vom färbewasser des blauen schals tiefblau gefärbten händen (worauf mich im laufe des abends aufmerksamer weise eine der künstlerinnen ansprechen wird, und nicht nur das, sie wird eine analogie zwischen den blauen fingernägeln, die beim waschen des von mir im souk von marrakesh einem tuareg abgekauften tuchs, die farbe angenommen haben und der blauen jeansjacke, sowie der darüber getragenen, an den ärmeln zerschlissenen blauen army-jacke, herstellen), also mit diesen händen das blaue kettenschloss schließen und hinuntersteigen in den ausstellungsraum, wo ich in ein kleines notizheft eintragungen machen werde, die die grundlage eines textes bilden sollten, den mich die kuratorin der ausstellung zu verfassen gebeten hat. direkt von einer besprechung, zu einer, meine arbeit betreffenden ausstellung, aus dem büro eines anderen kurators, kommend, wärme ich mir die hände nicht nur über einem ofen, in dem zu einer galerie ausgebauten keller, sondern nehme zusätzlich gerne, einen, von der betreiberin des projektraumes, in ein türkisches glas geleerten schwarzen tee entgegen, mit dem ich dann vorhabe, die ausgestellten kunstwerke zu betrachten, nicht ahnend, dass mich, noch bevor ich meine aufmerksamkeit auf einige, zwischen fußboden und wand sorgfältig platzierte tonteilchen richten kann, der in new york lebende freund und künstler, den ich seit jahren nicht mehr gesehen habe, begrüßen wird. ebenso seit jahren, bin ich der frau nicht mehr begegnet, die mir, aus dem lift des 12-stöckigen hochauses tretend, entgegenkommt, an deren dunkelviolette seidene bettwäsche ich mich erinnere, während wir einander, in einer innigen umarmung, festhalten. nun gilt es, bevor noch an das verfassen eines texts zu denken ist, zwischen den, auf eine schnur aufgefädelten tonkügelchen und den, mit knöpfen versehenen textiltüchern stehend, eine verbindung zwischen folgenden umständen herzustellen: vor dem hochaus am donaukanal stehen und den kurator genau in dem moment anrufen (ich will erfahren, welche top nummer an der gegensprechanlage zu drücken sei, damit er seine türe öffnet), in dem sich die frau, im gegensatz zu mir, der vor einem gespräch steht, von einem gespräch verabschiedet, und die ich einige augenblicke später im hausflur vor dem lift nach 20 jahren abwesenheit umarmen werde und eine stunde später bei der eröffnung einer ausstellung, über deren inhalt es einen text zu schreiben gilt, dem künstler, den ich ebensoviele jahre (was übertrieben ist), trotz seiner wiederholt an mich gerichteten einladung, ihn in seinem haus im kalifornischen death valley zu besuchen, nicht mehr gesehen habe, begegnen. die unmittelbare situation scheint geklärt zu sein, einige wenige dinge haben sich trotz ablenkungen in meine wahrnehmung hineingedrängt, in weiterer folge werden kleinste aufzeichnungen notiert, die sich eher an den um mich stattfindenden gesprächen orientieren, als an dem, mir selbst suspekt scheinenden direkten blick auf die kunstwerke, geschweige denn an meinen, wie eine üppige last mitgebrachten einschätzungen und da kann es schon passieren, dass, während ich allmählich die anordnung der unterschiedlich bearbeiteten orangen zu verstehen beginne, mich wieder sätze, wie, nach der vernissage wurde es dann nicht ganz so lustig, weil der typ, der sonst sehr viel redet, in der gruppe total geschwiegen hat, worauf seine freundin echt verfallen ist und es mir schlagartig noch schlechter ging als ohnedies schon an diesem abend, von der bereitschaft, mich den werken und ihrer aussage zu überlassen, abhalten.
Gilbert Bretterbauer, 2016