Montag, 23. April 2018

S18 Gerald Domenig

Gerald Domenig arbeitet bevorzugt mit Fotografie, Zeichnung und dem Schreiben, formal streng und thematisch offen. In den Zeichnungen zeichnet er seine Fotografien vor. "Während die Arbeit mit dem Bleistift als eine Annäherung an die Welt begriffen werden kann, sind die meist schwarzweißen Fotografien eben kein Festhalten eines Moments, nicht bloß ein Abbild der Realität. Sie sind immer mehr als das, nämlich eigenständige Bilder einer Situation, eines Ortes."¹

Domenig fotografiert analog, entwickelt die Filme und stellt die Vergrößerungen selbst her. "Wenn ich fotografiere, will ich ein in der Dreidimensionalität verstecktes Bild, eine latente Zweidimensionalität in ein konkretes Bild übersetzen."² Die wiederkehrenden Motive sind gefundene Alltagsgegenstände oder gefundene Objekte mit belannten Schriftetiketten, die jeweils wie Bildzeichen für sich erscheinen, so wie ein filigraner Zweig, Geldscheine, Nivea-Cremedosen in unterschiedlichen Größen, ein generisches Wasserglas, die Plastikhülle von einem Päckchen Tempo-Taschentüchern, ein angelaufener Suppenlöffel aus Silber. Er inszeniert die Gegenstände in seinem Atelier zu schlichten Stilleben vor einem neutralen, vorwiegend weißen Hintergrund. Dabei setzt Domenig die Gegenstände in Beziehung, er lässt sie sich buchstäblich berühren, steckt sie ineinander oder stapelt sie, während er die dabei auftauchenden formalen Analogien nebeneinander im Bild wirken lässt. Später verknüpft er dann solche Bilder mit einer, wie er den Buchbund nennt, „Naht” und präsentiert sie als gegenüberliegende Seiten in einem Buch, in einer Bilderreihe. Ähnlich "begutachtet" er Wände von Hausfassaden, die Spuren von Witterung oder von baulichen Veränderungen tragen und dadurch malerische Effekte produzieren, die ihn etwa an Sol LeWitt oder Mark Rothko erinnern. Gemeinsam ist allen Gegenständen beim Fotografieren, dass die Umgebung ihre Gestalt abstrahiert: "Wo bricht die Schärfe ab oder wo liegt sie überhaupt, betont das Licht den Körper oder arbeitet es ihm entgegen, ist der rote Hintergrund in der Lage sich in den Vordergrund zu drängen?" Die Abzüge werden meist in einem einheitlichen Format (56 × 46 cm), mit weißem Passepartout und Aluminiumrahmen gerahmt, zu kleineren Gruppen in jeweils einer Reihen gehängt.

¹ Aus dem Ausstellungstext zu "Awåragaude?" in der Wiener Secession, April–Juni 2016
² Domenig in ebd. Ausstellungstext

"Awåragaude?", Wiener Secession, April–Juni 2016


Untitled, 2011, Tintenstrahldruck auf Hahnemühlepapier, Farbe, 61 x 46 cm, gerahmt
Untitled, 2008, Schwarz-Weiß-Fotografie auf Barytpapier, Detail